Timoteo Viti(?) 1469/70-1523
Ein Gefangener wird vor einen Richter geführt (nach Antonio Pollaiuolo),
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Timoteo Viti(?) 1469/70-1523

Ein Gefangener wird vor einen Richter geführt (nach Antonio Pollaiuolo),

Timoteo Viti(?) 1469/70-1523

Ein Gefangener wird vor einen Richter geführt (nach Antonio Pollaiuolo)

Für Georg Ernst Harzen stammte das Blatt von der Hand Timoteo Vitis. Doch lassen sich bislang keine zwingenden Bezüge zu dessen Zeichenstil aufzeigen. Problematisch ist vor allem, dass Viti bislang nur als Kreidezeichner sicher beurteilt werden kann, als Federzeichner, abgesehen von den problematischen Hamburger Zeichnungen (siehe Inv.-Nrn. 21492, 21494), aber kaum greifbar ist. Die durch den Stempel gesicherte Provenienz aus der Sammlung Viti-Antaldi spricht zwar für ein hohes Alter des Blattes, ist aber kein eindeutiger Beleg für eine mögliche Autorschaft Vitis. Die Studie erinnerte Koopmann 1891 an Raffael, wohl aufgrund der locker suchenden, starke Pentimenti zulassenden Zeichenweise. Doch erscheint die Studie insgesamt für Raffael zeichnerisch zu unentschieden. Seitdem fand die Zeichnung keine nennenswerte Beachtung.
Das Blatt ist aufgrund eines bislang nicht erkannten Bezuges zu Antonio Pollaiuolos Zeichnung „Gefangener vor einem Richter“ von besonderem Interesse.(Anm.1) Ganz unverkennbar stimmen die beiden linken Figuren mit den beiden auf Pollaiuolos Entwurf rechts vorm Richterstuhl stehenden nackten Männern überein. Dabei fällt auf, dass manche Details – wie z. B. die linke Hand des rechten Mannes in die Fesseln des Linken greift – genau übernommen wurden, während andere Einzelheiten – z. B. die Kopfhaltung des Gefangenen – verändert wurden. Auffallend ist auch die Unsicherheit in der Anlage der Gruppe, worauf starke Pentimenti im Schulterbereich hindeuten. Da die Komposition bislang nur als Zeichnung Pollaiuolos und nicht als Stich oder Gemälde nachweisbar ist, stellt sich die Frage, woher der Zeichner des Hamburger Blattes Kenntnis davon hatte. Die sich nach vorn beugende Figur am rechten Rand erinnert entfernt an einen der Schergen auf Pollaiuolos Gemälde „Martyrium des Hl. Sebastian“ (1475) in der National Gallery in London. Möglicherweise handelt es sich bei der Figur um eine eigene Erfindung des Zeichners. Die Beibehaltung der alten Zuschreibung an Viti erfolgt hier unter starkem Vorbehalt.

David Klemm

1 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1893–5-29-1. Arthur Ewart Popham, Philip Pouncey: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. The Fourteenth and Fifteenth Centuries, 2 Bde., London 1950, I, S. 136–138, Nr. 224.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links: Signet der Sammlung Viti-Antaldi (L. 2245-2246, andere Punktanordnung); auf dem Verso unten links bezeichnet: "Timoteo d. V. 8.8 7.0" (Bleistift); unten in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Provenienz

Möglicherweise Timoteo Viti (1470–1523), Urbino (L. 2463); Sammlung Viti-Antaldi (16.–19. Jh.), Urbino und Pesaro (L. 2245– 2246, variiert); wahrscheinlich Samuel Woodburn (1786–1853), London (L. 2588); wahrscheinlich auf dessen Nachlassauktion 1854 in London (Lugt Ventes 21988) von Georg Ernst Harzen (1790–1863), Hamburg (L. 1244) erworben (vgl. HK, KK, A, NH Ad: 03: 16, Sp. 13); HK, KK, A, NH Ad: 02: 01, S. 223 (als Timoteo Viti); HK, KK, A, NH Ad: 01: 03, fol. 117 (als Timoteo Viti): „Ein Mann treibt einen Gefangenen vor sich her, beide unbekleidet. Wie voriges [Federstudie; vgl. Eintrag bei Inv.-Nr. 21418] 8.8 7.0 Ebendaher [Sammlung Antaldi]“; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.360-361, Nr.550

Giovanni Moroni: Timoteo Viti nell'ambiente artistico urbinate tra Quattrocento e Cinquecento, Urbino 2007, S.227, Abb.227

Anna Forlani Tempesti: Disegni di Timoteo Viti alla Biblioteca Oliveriana, in: Disegno e Disegni. Per Luigi Grassi Rimini 1998, , S.72, Fußnote 4

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.14, Nr.45

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.43, 48