Polidoro Caldara, gen. Polidoro da Caravaggio (Kopist)
Polidoro Caldara, gen. Polidoro da Caravaggio (Kopist)
Die Szene erinnert in ihrer friesartigen Anordnung von handelnden Personen an Kompositionen Polidoro da Caravaggios. Das Hamburger Blatt stellt im Rahmen der vor allem im 16. Jahrhundert nachhaltigen Polidoro-Rezeption insofern eine Besonderheit dar, als es zwar Elemente des Künstlers verarbeitet, aber in der Erfindung der Szene offensichtlich eigenständig ist. Zumindest lässt sich das dargestellte Ereignis mit keiner der überlieferten Kompositionen Polidoros enger verbinden, obwohl sich der Einfluss des Künstlers unverkennbar in einzelnen Figuren, wie dem am Boden knienden bärtigen Mann, der Gruppe der beiden rechts sitzenden Männer oder in der im strengen Profil links davon stehenden Figur zeigt.(Anm. 1)
Das Blatt gelangte wohl aufgrund einer alten Versoaufschrift unter dem Namen des Wiener Künstlers Franz Caucig (1755–1828) in die Sammlung. Der Zeichenstil lässt sich jedoch nicht präzise mit den Antikenzeichnungen des Künstlers verbinden.(Anm. 2) Die in Feder ausgeführten Studien sind zumeist noch stärker laviert als das Hamburger Blatt und offensichtlich nicht eigenschöpferisch. Caucigs Kreidezeichnungen nach Antiken sind zudem sehr akkurat ausgeführt. Eine Zuschreibung an Caucig scheint vor diesem Hintergrund wenig sinnvoll. Wahrscheinlicher ist es, dass ein anonymer Zeichner unter Anregung der Kompositionen Polidoros eine Szene entworfen hat. Diese kann nur vage, etwa als das Bittgesuch eines Mannes vor zwei mächtigen Herren, gedeutet werden.
David Klemm
1 Vgl. z. B. die allgemeine Ähnlichkeit des knienden Mannes auf dem Fries am Palazzo Milesi; vgl. Lanfranco Ravelli: Polidoro Caldara da Caravaggio. I. Disegni di Polidoro II. Copie da Polidoro, Monumenta Bergomensia XLVIII, Mailand 1978, S. 420, Abb.
2 Vgl. Ksesnija Rozman, Ulrike Müller-Kaspar: Franz Caucig. Ein Wiener Künstler der Goethe-Zeit in Italien, Wien 2004, vor allem S. 65–118.
Details zu diesem Werk
Beschriftung
Wasserzeichen / Kettenlinien
WZ( auf Kaschierung ) WZ: Doppelköpfiger Adler, darüber Krone, im Körper des Adlers eine Sichel; nicht identifiziert. Die Reichssymbolik deutet auf nordische Herkunft, vgl. die Herkunftsangaben bei Briquet „Aigle“.
Provenienz
Washington von der Hellen (1834-1900), Hamburg (nicht bei Lugt); Gustav von der Hellen (1879-1966), San Isidro/Argentinien (nicht bei Lugt); Schenkung von der Hellen 1962 an die Hamburger Kunsthalle
Bibliographie
David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.295-296, Nr.434