Philipp Otto Runge
Die Nacht (Konstruktionszeichnung), 1803
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Philipp Otto Runge

Die Nacht (Konstruktionszeichnung), 1803

Philipp Otto Runge

Die Nacht (Konstruktionszeichnung), 1803

Dass die Konstruktionszeichnung und die Kupferstichvorlage zur „Nacht“ als letzte von Runge in Angriff genommen wurden, darauf gibt ein Brief vom 20. Juli 1803 an Daniel einen Hinweis: „Ich bin bis auf weniges, (aber freylich recht etwas starkes), bis auf den Mond und die Sterne in der Nacht, (besser wird dir ungefähr es sagen können, was das ist), mit meinen Zeichnungen fertig“ (Anm. 1), die bis zum 30. Juli endgültig vollendet waren (Anm. 2). Es ist daher anzunehmen, dass Konstruktionszeichnung und Kupferstichvorlage im Laufe des Julis mehr oder minder parallel entstanden sind.
Das Binnenbild ist durch acht horizontale Linien geteilt, die acht Streifen jeweils 3 Zoll bilden, von denen drei Streifen die untere Zone in Höhe von 9 Zoll, ein Streifen die Mittelzone in Höhe von 3 Zoll, und vier Streifen die obere Zone mit einer Höhe von 12 Zoll bilden. Für die Wirkung des Blattes bedeutender sind aber die konzentrischen Kreisbogen- und Dreiecksformen, die ihren Ausgangspunkt oberhalb der zentralen Sonnenblume bei 9 Zoll haben. In das gleichschenklige, nach oben ausstrahlende Dreieck hat Runge einen zweiten Strahlenkranz eingeschrieben, dessen Ausgangspunkt oberhalb der ausfächernden Mohnblüte bei 13½ Zoll liegt. Seine Strahlen schneiden den oberen Strahlenkranz, auf dem die Kinder sitzen. Sie sind nach einem eigenen Maßstab angeordnet, den die handschriftliche Notiz oben links angibt. Die Strecke von 7 Zoll vom Rand des Binnenbildes bis 1 Zoll vor die Mittelsenkrechten wurde in vier Abschnitte von jeweils 1¾ Zoll geteilt, um gleiche Abstände für Sterne und Kinder zu gewinnen, die jeweils auf der Mittelachse dieser vier Abschnitte sitzen. Die Romboidkonstruktion, in die die Figur der „Nacht“ einbeschrieben ist, variiert dasselbe Motiv aus dem „Morgen“ (Inv. Nr. 34173).
Die Konstruktionszeichnungen nutzte Runge auch dazu, die einzelnen Blätter des Zyklus‘ enger aufeinander abzustimmen. So erscheint auf der Konstruktionszeichnung der „Nacht“ angedeutet das Motiv der Laube vom „Tag“, das in der Kupferstichvorlage (Inv. Nr. 34182) der Laube vom „Tag“ formal entspricht. Damit strebte Runge nicht nur eine noch engere Verzahnung der Paare „Tag“ und „Nacht“ sowie „Morgen“ und „Abend“ an, sondern rhythmisierte den Zyklus.
Der unten rechts angegebene innere Maßstab „höhe der unteren Kinder“ bezieht sich auf die Größe der Kinder in der unteren Zone, der äußere Maßstab „höhe der oberen“ auf die Größe der Kinder in der oberen Zone. Wie bei der Konstruktionszeichnung zum „Morgen“ rechnet Runge die Maßstäbe in Fuß, doch handelt es sich um Maßstäbe in Zoll. Dies betrifft auch den äußeren Maßstab am rechten Rand „von 15 fuß“, der sich möglicherweise auf die Ausführung als Wandgemälde bezieht.

Peter Prange

1 Brief vom 20. Juli 1803 an Daniel, vgl. HS II, S. 225.
2 Vgl. HS II, S. 230.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

In der oberen Rahmenzone bezeichnet: "Diese 7 fuß für 4 Figuren ist für jede 1 3/4 fuß ist die Hälfte 10 1/2 zoll [sic] solche werde so wohl vom Ende als von 1 fuß aus für die erste Mittellinie gezählt" (Feder in Grau); am rechten Rand in der MItte parallel zum Maßstab bezeichnet: "Maßstab von 15 fuß" (Feder in Grau); unten parallel zum Maßstab bezeichnet: "höhe der unteren KInder. höhe der oberen" (Feder in Grau)

Verso ??? von der Hand Daniel Runges nachträglich bezeichnet und datiert: "Original von Philipp Otto Runge 1802/3" (Feder in Schwarz; die "2" nachträglich mit schwarzer Kreide durchgestrichen und ergänzt durch "1803")

Wasserzeichen / Kettenlinien

"Pieter de Vries & Comp."

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 109, Nr. 495 t1/4.: "4 Bt. die Nacht. Dresden 1802/3. ... 2/4, 3 Bt Studien und Entwürfe dazu. Feder. grfol. & Royfol."); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Verwandlung der Welt. Die romantische Arabeske, hrsg. von Werner Busch, Petra Maisak, Ausst.-Kat. Freies Deutsches Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum, Hamburger Kunsthalle, Frankfurt, Hamburg 2013, Abb.S. 91

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Pauline Kintz: Das befreite Bild. Die bildende Tätigkeit Runges im Lichte der frühromantischen poetischen Theorie von Novalis und Friedrich Schlegel, in: Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner und Jenns Howoldt, München 2013, S.66-68, Taf. 13-16

Werner Hofmann: Phantasiestücke. Über das Phantastische in der Kunst, Hirmer Verlag 2011, Nr.114, Abb.S. 174

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.153, 387, Nr.97, Abb., Abb.S. 147

Frank Büttner: Philipp Otto Runge, C. H. Beck 2010, Nr.Abb. 18, Abb.S. 64

Thomas Lange: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges, Berlin. München 2010, S.181, Abb.

Pauline Kintz: Alles was wir sehen, ist ein Bild. Philipp Otto Runge in het licht van de vroeg-romantische poezietheorie van Friedrich Schlegel en Novalis, Delft 2009, S.269, Abb., Anm. 26, 270, Abb.13.37, Abb. 13.38-13.41 auf S. 270

Lange, Thomas: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges (1777-1810), München 2006, S.218, Abb.74d

Andrea Gottdang: Vorbild Musik. Die Geschichte einer Idee in der Malerei im deutschsprachigen Raum 1780-1915, München u. a. 2004, zugl. München, Univ., Habil.-Schr. 2003 2004, S.179, Abb.24 auf S. 466

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Werner Hofmann: Das entzweite Jahrhundert. Kunst zwischen 1750 und 1830, München 1995, S.21, Abb.398 auf S. 388

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Wolf Stubbe: Bildidee und "Practik ". Zu unbekannten Zeichnungen von Philipp Otto Runge, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 19, Hamburg 1974, S. 13-36, S.27-28

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 2, Hamburg 1841 (Reprint: Göttingen 1965), S.225, 230

Gunnar Berefelt: Bemerkungen zu Philipp Otto Runges Gestaltungstheorie, in: Baltische Studien 48, Hamburg 1961, S. 51-61, Abb.Taf. 4

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.21, 23, Nr.138

Waetzoldt, Stephan: Runges "Vier Zeiten" und ihre Konstruktionszeichnungen, 1954-1959,, S.59 S. 242 ff (Anm. 20), Abb.9 auf S. 245

Waetzold, Stephan: Philipp Otto Runges "Vier Zeiten", Hamburg, Univ., Diss. 1951, S.45-50 (Anm. 90-91), Abb.19

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.153

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.36, Nr.62

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.48

Ornament und Abstraktion. Kunst der Kulturen, Moderne und Gegenwart im Dialog, Ausst.-Kat. Fondation Beyeler, Basel, S.95, 238, Nr.181