Michiel van Musscher, Kopie Pieter Cornelisz. van Slingelandt, ehemals zugeschrieben
Ein Maler vor seiner Staffelei sitzend, vor 1800?
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Michiel van Musscher, Kopie Pieter Cornelisz. van Slingelandt, ehemals zugeschrieben

Ein Maler vor seiner Staffelei sitzend, vor 1800?

Michiel van Musscher, Kopie Pieter Cornelisz. van Slingelandt, ehemals zugeschrieben

Ein Maler vor seiner Staffelei sitzend, vor 1800?

Dieses Blatt galt mindestens seit der Auktion Goll van Franckenstein (1833) als Werk des Pieter Cornelisz. van Slingelandt. Auf die Verbindung zu einem fast bis ins Detail übereinstimmenden Gemälde, das diesem ebenfalls traditionell zugeschrieben war, verwies erstmals Van Hall (1963). In diesem Zusammenhang wurde unser Blatt als Vorarbeit erwähnt.(Anm.1)
Heute wird das Gemälde überwiegend mit Michiel van Musscher in Verbindung gebracht,(Anm.2) ohne dass dessen Autorschaft für unsere Zeichnung vorausgesetzt werden kann: Entgegen der von Van Hall und später Van Thiel (1974) vertretenen Annahme handelt es sich nicht um die Vorzeichnung, sondern um eine Kopie nach dem Bild.(Anm.3) Die Zeichnung ist einerseits sorgsam auf Erfassung der gemalten Details bedacht, andererseits aber nicht frei von Mängeln. Dies betrifft besonders die perspektivische Wiedergabe der Einrichtungsgegenstände und die in den Randbereichen weniger konzentrierte Modellierung.
Von dem Gemälde übernahm der Kopist auch die Bezeichnung an der oberen Querstrebe der Staffelei. Diese wurde in der jüngsten Publikation des Bildes als Jahreszahl interpretiert („57“ bzw. „87“).(Anm.4) Auf der Zeichnung hingegen ist sie eindeutig als Monogramm bestimmbar. Die Buchstaben „HVB F“ wurden in der Photokartei des RKD auf den zeitweise in Leiden tätigen Künstler Hendrik van der Burgh (um 1625–nach 1664) bezogen. Dessen Autorschaft ist für die Hamburger Zeichnung jedoch ebenso auszuschließen wie das erwähnte Gemälde.(Anm.5) Auch Harzen sah in dem Monogramm einen Hinweis auf die Identität des Zeichners: In seinem „Catalogue d’une Collection de Portraits“ wird das Blatt als Werk eines Monogrammisten „H. B.“ aufgeführt. Leider lassen sich diese Indizien nicht weiter konkretisieren;(Anm.6) möglicherweise wurde hier lediglich die alte Jahreszahl durch den Kopisten fehlinterpretiert. So kann das Blatt derzeit nur als anonyme Kopie nach dem mutmaßlichen Selbstbildnis des Michiel van Musscher bestimmt werden.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Rijswijk, Instituut Collectie Nederland, Inv.-Nr. NK 1586, Katja Kleinert: Atelierdarstellungen in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts - realistisches Abbild oder glaubwürdiger Schein?, Petersberg 2006, Nr. 49; das Bild befand sich zeitweise in der Sammlung Lugt; zwischen 1940 und 1945 zählte es zu der Auswahl für das „Führermuseum“ in Linz.
2 Vgl. Katja Kleinert: Atelierdarstellungen in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts - realistisches Abbild oder glaubwürdiger Schein?, Petersberg 2006, Nr. 49; vgl. auch Peter C. Sutton in einer E-Mail vom 30.6.2009. Die Zuschreibung an Van Musscher wurde von Van Hall (1963) und Van Thiel (1974) abgelehnt, beide zogen Van Slingelandt in Betracht; Van Thiel verwies darüber hinaus auf Heyman Dullaert. Ferner wurden Frans van Mieris und Olivier van Deuren als mutmaßliche Urheber genannt, Otto Naumann: Frans van Mieris (1635-1681) The Elder. 2 Bde., Doornspijk 1981, Bd. 2, S. 101. Der Bezug zur Leidener Feinmalerei wurde kürzlich aufgegriffen in Schilderijen uit de Gouden eeuw, Ausst.-Kat. Gouda 1998.
3 Als amateurhafte Kopie bewertete Charles Dumas das Hamburger Blatt (mündlich, 2. 2. 2009, auf Grundlage einer Digitalphotographie).
4 Katja Kleinert: Atelierdarstellungen in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts - realistisches Abbild oder glaubwürdiger Schein?, Petersberg 2006; auf das mit der Zeichnung übereinstimmende Monogramm des Gemäldes verwies auch Charles Dumas, siehe Anm. 3.
5 Peter C. Sutton, freundliche Mitteilung per E-Mail, 30. 6. 2009.
6 Eine theoretisch denkbare Interpretation als Jugendwerk des Herman van Brussel ist angesichts des abweichend geschriebenen Monogrammes „HVB“ auszuschließen, vgl. Figurenstudien in der Sammlung der Erben von J. Q. van Regteren Altena, Amsterdam, J.Q. van Regteren Altena: Herman van Brussel als Figuurschilder, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 21, 1970, S. 309-317, Abb. 7 und Aukt.-Kat. Amsterdam, Christie’s, 24. 11. 1992, Nr. 270. Der spätere Verweis auf einen der Brüder Berckheyde in Harzens „Catalogue d’une Collection de Portraits“ bezieht sich wohl auf Job (bzw. „Hiob“) Adriaensz. Berckheyde, ohne dass dies durch konkreten Werkbezug bestätigt werden konnte.
7 Die ehemals weitgehend akzeptierte Deutung des Gemäldes als Selbstbildnis wurde erst in letzter Zeit zurückhaltender betrachtet, vgl. Katja Kleinert: Atelierdarstellungen in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts - realistisches Abbild oder glaubwürdiger Schein?, Petersberg 2006. Trotzdem besteht eine gewisse Ähnlichkeit in Physiognomie und Habitus mit einem 1679 datierten Selbstbildnis des Künstlers in Rotterdam, Historisch Museum, Inv.-Nr. 10567-A, Katja Kleinert: Atelierdarstellungen in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts - realistisches Abbild oder glaubwürdiger Schein?, Petersberg 2006, Abb. 51 a.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf der Staffelei monogrammiert: "HVB [ligiert] F." (schwarze Kreide)

Auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unterhalb davon nummeriert: "17/60" (Feder in Braun, von der Hand Goll van Franckensteins); rechts daneben bezeichnet: "im/C [?]" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Buchstaben WR (ligiert), als isoliertes Wasserzeichen Heawood deest
23-24 mm (v)

Provenienz

Johann Goll van Franckenstein I (1722-1785), Amsterdam (L. 2987); Johan Goll van Franckenstein II (1756-1821), Amsterdam (L. 2987); Pieter Hendrik Goll van Franckenstein (1787-1832); auf der Auktion Goll van Franckenstein, Amsterdam 1833 (Lugt, Ventes 13362) an Woodburn; Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (Catalogue d'une Collection de Portraits, fol. 197, Inc. 1: "H.B. Un peintre dans son atelier, figure entière. A la pierre noire (Dessin)"); wohl Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; wohl 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.399, Nr.703

Katja Kleinert: Atelierdarstellungen in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts - realistisches Abbild oder glaubwürdiger Schein?, Petersberg 2006, S.278, bei Nr. 49, Abb.49a

P. J. J. van Thiel: Andermaal Michiel van Musscher: zijn zelfportretten, in: Bulletin van het Rijksmuseum 22, 1974, S. 131-149, S.147, Anm. 10

H. van Hall: Portretten van Nederlandse beeldende kunstenaars, Amsterdam 1963, S.307, bei Nr. 3

Catalogus van het beroemde Kabinet van gekleurde en ongekleurde Teekeningen, door de voornaamste oude en hedendaagsche Nederlandsche, Italiaansche en andere Meesters. Nagelaten bij Wijlen den hoog welgeboren Heer Jonkheer Johan Goll van Franckenstein, 1.6. und folgende Tage, Jeronimo de Vries, Amsterdam 1833, S.63, Nr.P 21