Jan Asselijn, Zeichner, (?)
Blick auf Tivoli und die Albaner Berge, um 1650 - 1660
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Jan Asselijn, Zeichner, (?)

Blick auf Tivoli und die Albaner Berge, um 1650 - 1660

Jan Asselijn, Zeichner, (?)

Blick auf Tivoli und die Albaner Berge, um 1650 - 1660

Wie die alte, wenngleich nicht eigenhändige Beischrift zu Recht anmerkt, handelt es sich um eine offensichtlich „naer ‘t leven“ gezeichnete Ansicht von Tivoli. Charakteristisch für die Naturstudie ist der nur vage angedeutete Vordergrund links. Derartige „Blindzonen“ entstanden durch die Fokussierung des Blickes auf das entfernte Motiv, während die nahsichtigen Motive durch den Zeichenblock verdeckt wurden. Sie sind ein gutes Kriterium zur Unterscheidung zwischen Naturstudie und durchkomponierter Landschaft.(Anm.1)
Unser Blatt gilt traditionell als Arbeit des Jan Asselijn und wurde unter Vorbehalt von Steland akzeptiert. Jedoch fehlen feste Anhaltspunkte, um einen Corpus authentischer Naturstudien des Künstlers zu rekonstruieren.(Anm.2) Die sicher nach dem Leben entstandenen Zeichnungen in Rotterdam und Haarlem sind als nahsichtige Motive unserem Blatt zunächst nicht zu vergleichen, wenngleich auch dort die den Künstler weniger interessierenden Partien mit breitem Pinsel nur summarisch angedeutet sind.(Anm.3)
Auf Asselijns Hand deutet grundsätzlich auch die Verwendung von Graphit und grauem Pinsel in Anlehnung an die Radierungsvorzeichnungen des Künstlers.(Anm.4) Im locker-flächigen Farbauftrag unserem Blatt vergleichbar ist eine in gleicher Technik gearbeitete Zeichnung in London, die – bei kleineren Dimensionen – allerdings sicherer wirkt als unser Blatt.(Anm.5) Ihre Eigenhändigkeit vorausgesetzt, wäre sie zwischen 1636 und 1644 anzusetzen.(Anm.6)
Alternativ wäre auch eine Entstehung im Umkreis des Künstlers denkbar. Gewisse stilistische Parallelen bestehen zu einem in gleicher Technik gearbeiteten „Flusstal in bergiger Landschaft“ Frederik de Moucherons.(Anm.7) In der älteren Literatur wurde eine Italienreise dieses Künstlers bezweifelt, ausgehend von der Lebensbeschreibung bei Houbraken. Doch sollte mit Blick auf vermutlich vor Ort aufgenommene italienische Landschaften Moucherons eine entsprechende Reise in Betracht gezogen werden, wie in jüngerer Literatur von unterschiedlicher Seite vorgeschlagen wurde.(Anm.8)

Annemarie Stefes

1 Vgl. Axel Janeck: Naturalismus und Realismus. Untersuchungen zur Darstellung der Natur bei Pieter van Laer und Claude Lorrain, in: Storia dell'Arte 28, 1976, S. 285-307.
2 Vgl. Schatborn, in: Peter Schatborn, Drawn to Warmth. 17th-century Dutch artists in Italy, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 2001, S. 107.
3 „Bogen der Silberschmiede“, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. MB 296, Peter Schatborn, Drawn to Warmth. 17th-century Dutch artists in Italy, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 2001, S. 104, Abb. F; „Innenansicht des Titusbogens“, Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. P 94, ebd. S. 106, Abb. H.
4 Vgl. Inv.-Nr. 1963-114, Inv.-Nr. 1963-115, vgl. Schatborn, in: Peter Schatborn, Drawn to Warmth. 17th-century Dutch artists in Italy, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 2001, S. 102. Eine von Steland mit unserem Blatt in Verbindung gebrachte, annähernd maßgleiche Zeichnung in London unterscheidet sich in der kräftiger artikulierten Handhabung des Pinsels: „Ponte Molle bei Rom“, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. SL,5214.88 (Pinsel in Grau, 269 x 420 mm), Anne-Charlotte Steland: Die Zeichnungen des Jan Asselyn, Fridingen 1989, Abb. 185. Die ebd. als Vergleichsbeispiel erwähnte „Brücke bei Tivoli“, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. SL,5214.84, Anne-Charlotte Steland: Die Zeichnungen des Jan Asselyn, Fridingen 1989, Abb. 188, verwendet schwarze Kreide und ist mit 359 x 538 mm nicht nur deutlich größer, sondern auch großzügiger gearbeitet als unser Blatt.
5 „Villa in gebirgiger Flusslandschaft“, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. SL,5214.158.
6 Vgl. Anne-Charlotte Steland: Die Zeichnungen des Jan Asselyn, Fridingen 1989, S. 12–13 und Schatborn, in: Peter Schatborn, Drawn to Warmth. 17th-century Dutch artists in Italy, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 2001, S. 101.
7 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 3947 (signiert, 208 x 406 mm), Elfried Bock, Jakob Rosenberg: Die niederländischen Meister. Beschreibendes Verzeichnis sämtlicher Zeichnungen, Staatliche Museen zu Berlin. Die Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett, 2 Bde., Berlin 1930, Bd. 1, S. 195, Corpus Gernsheim 49639, unserem Blatt vergleichbar besonders in der flächigen Wiedergabe der Häuser und in der Behandlung der Wasserspiegelungen. Eine wohl eigenhändige Teilwiederholung dieser Zeichnung befindet sich in Paris, École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Inv.-Nr. Mas. 1850, Frits Lugt: École hollandaise, École nationale Supérieure des Beaux-Arts Paris. Inventaire génerale des Dessins des Écoles du Nord, Bd. 1, Paris 1950, Nr. 410. Vgl. auch die in gleicher Technik, aber in kleinerem Format und etwas konzentrierter ausgeführte „Südliche Landschaft“ in Lübeck, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck, St. Annen Museum, Inv.-Nr. AB 149 (129 x 248 mm), traditionell Asselijn zugeschrieben, von Anne-Charlotte Steland: Die Zeichnungen des Jan Asselyn, Fridingen 1989, S. 199 Moucheron zugewiesen, vgl. ebd. Abb. 234, vgl. Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S. 300, Anm. 10.
8 Vgl. Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S. 296 mit Verweis auf eine Gruppe von Mittelmeerlandschaften im Atlas Van der Hem; vgl. auch Stijn Alsteens (Rezession): Erlend de Groot and Peter van der Krogt, The Atlas Blaeu-van der Hem of the Austrian National Library, in: Master Drawings 48, S. 105-120, S. 112. Auch Anne-Charlotte Steland: Die Zeichnungen des Jan Asselyn, Fridingen 1989, S. 199 und Keith Andrews: Catalogue of Netherlandish Drawings in the National Gallery of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1985, S. 55 hielten eine Italienreise des Künstlers für möglich.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links bezeichnet: "een gezicht van tievolie" (Feder in Braun, 17. Jh.); unten links nummeriert: "275" (Feder in Schwarz); auf dem Verso in der Mitte nummeriert: "275 [8 verbessert in 7]" (Bleistift); unterhalb davon Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233); unten links unleserliche Beischrift: "[...?]" (Feder in Braun)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
30-32 mm (h)

Provenienz

Washington von der Hellen (1834-1900), Hamburg, Nr. 482 (laut Kartei, keine Beischrift); Gustav von der Hellen (1879-1966), San Isidro/Argentinien (nicht bei Lugt); Schenkung von der Hellen 1962 an die Hamburger Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.76-77, Nr.25

Anne-Charlotte Steland: Die Zeichnungen des Jan Asselyn, Fridingen 1989, S.161, 229, Nr.88, Abb.184

Wolf Stubbe: Die Sammlung von der Hellen, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 8, Hamburg 1963, S. 153-180, S.157

Axel Janeck: Naturalismus und Realismus. Untersuchungen zur Darstellung der Natur bei Pieter van Laer und Claude Lorrain, in: Storia dell'Arte 28, 1976, S. 285-307, S.289, Abb.3