Jacob de Wet (I)
Der Untergang der ägyptischen Armee im Schilfmeer,
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Jacob de Wet (I)

Der Untergang der ägyptischen Armee im Schilfmeer,

Jacob de Wet (I)

Der Untergang der ägyptischen Armee im Schilfmeer

Diese Zeichnung wurde zuletzt von Sumowski (1992) und Röver Kann in Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, bearb. v. Anne Röver-Kann, Anne Buschhoff, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000 als Werk des älteren Jacob de Wet publiziert.(Anm.1) In mindestens fünf Gemälden variierte der Haarlemer Historienmaler den Durchzug der Israeliten durch das Schilfmeer.(Anm.2) Das Hamburger Blatt zeigt das Volk Israel, wie es nach überstandener Passage durch das geteilte Meer weiter landeinwärts zieht (2. Mose 14, 26–30). Ungewöhnlich ist die Abkehr der Israeliten von den über den Verfolgern zusammenstürzenden Wassermassen: Auf anderen Darstellungen stehen sie am Ufer und betrachten den Untergang der ägyptischen Armee.(Anm.3)
Wie von Sumowski (1992) hervorgehoben, entstand unsere Zeichnung in mehreren Arbeitsphasen. Einem an Haarlemer Historien der 1630er Jahre erinnernden feinline-aren Entwurf folgte die Überarbeitung mit breitem, stellenweise peitschendem Strich. Dabei wurden die Konturen des Erstentwurfs stellenweise verfestigt, während in anderen Partien stärkere Abweichungen zu beobachten sind: So wurde die vorne rechts lagernde Figurengruppe über zwei Repoussoirfiguren in größerem Format gezeichnet, deren Köpfe und Oberkörper noch gut zu erkennen sind. Offensichtlich hatte De Wet diese Partie mit Deckweiß zu kaschieren versucht, wie am hier grau wirkenden Federstrich zu erkennen ist. Diese zweite Phase erinnert stilistisch an ein Skizzenbuchblatt aus der Zeit um 1644.(Anm.4) Eines der dort skizzierten Motive ist von Rembrandts „Ungläubigem Thomas“ (1634) abgeleitet und erklärt, warum De Wet von Sumowski in den Kreis der Rembrandtschüler aufgenommen wurde, auch wenn eine Lehre bei Rembrandt nicht dokumentiert werden kann.
Möglicherweise ging der feinen Federzeichnung eine weitere Stufe voraus: Darauf deutet die stellenweise abweichende Erstanlage in Graphit, wie z. B. an den nicht mit Feder ausgearbeiteten Gebäuden auf der Felswand im Hintergrund zu erkennen ist.
Grundsätzlich wirken die den ansteigenden Weg flankierenden Felsen eigentümlich „wolkig“ und wecken dabei – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – Assoziationen mit den von Gott zurückgehaltenen Wassermassen auf der Passage durch das Schilfmeer.
Während die Zuschreibung der Recto-Zeichnung an den älteren De Wet außer Frage steht, sollte für den verso dargestellten „Reiterkampf“ die Hand des Jacob de Wet (II) (1641–1697) in Betracht gezogen werden. In ihrem Federduktus ist sie keineswegs identisch mit der feinlinigen Fassung der Recto-Zeichnung, wie noch von Sumowski (1992) behauptet wurde, sondern wirkt ungleich schwungvoller und verspielter. Zudem kann das Thema der Reiterschlacht bei Jacob de Wet (I) nicht nachgewiesen werden, während kürzlich ein Gemälde mit vergleichbaren Figuren unter dem Namen des Sohnes auf einer Auktion angeboten wurde.(Anm.5)

Annemarie Stefes

1 Henkel 1942 dachte an die Hand seines Sohnes Jacob de Wet (II); diesem ist jedoch kein gesichertes Œuvre zuzuweisen. Zu dieser Diskussion vgl. Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 10, Roghman - Wolfhagen, hrsg. von Walter L. Strauss, 1992, S. 5406; zu der Rekonstruktion des Werks von Jacob de Wet (II) vgl. ebd. S. 5321 und Werner Sumowski: Gemälde der Rembrandt-Schüler, 6 Bde., Landau 1983, Bd. 4, S. 2723.
2 Werner Sumowski: Gemälde der Rembrandt-Schüler, 6 Bde., Landau 1983, Bd. 4, Nr. 1871 a (deutscher Privatbesitz), mit Verweis auf weitere Fassungen des Themas; vgl. Marloes Huiskamp: Der Auszug aus Ägypten und die Eroberung des Landes, in: Im Lichte Rembrandts. Das Alte Testament im Goldenen Zeitalter der niederländischen Kunst, Ausst.-Kat. Münster/Amsterdam/Jerusalem, Zwolle 1994, S. 54-65, S. 59.
3 Vgl. das unter Anm. 2 erwähnte Bild; vgl. auch ein Gemälde an unbekanntem Standort, Marloes Huiskamp: Der Auszug aus Ägypten und die Eroberung des Landes, in: Im Lichte Rembrandts. Das Alte Testament im Goldenen Zeitalter der niederländischen Kunst, Ausst.-Kat. Münster/Amsterdam/Jerusalem, Zwolle 1994, S. 54-65, Abb. 45.
4 Skizzenbuch in Haarlem, Noord-Hollands Archief, Inv.-Nr. 53-999002 K, fol. 57 verso, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 10, Roghman - Wolfhagen, hrsg. von Walter L. Strauss, 1992, Nr. 2363; vgl. auch fol. 41 verso und fol. 45 verso, ebd. Nr. 2364, 2365.
5 Aukt.-Kat. Nimwegen, Hessink, 10.–17. 12. 2005, Nr. 5323; thematisch ist eine Orientierung an Reiter-schlachten der Wouwerman-Nachfolge denkbar.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Bezeichnung unten rechts von der Mitte: "de Wet" (Feder in Braun) über alter, ausgelöschter Beischrift (Feder in Schwarz oder Braun); verso unten rechts L. 1328

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
40-41 mm (h)

Verso

Titel verso: Reiterschlacht, flüchtig skizziert

Technik verso: Feder in Schwarz, stellenweise Graphit

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 82: "de Wet. Moses führt die Israeliten durchs rothe Meer. {Erst} Er steht in gebieterischer Stellung auf einem vorspringenden Felsen, während das Meer {über} Pharaos Heer verschlingt indeß das gerettete Volk in gedrängten Zügen mit vielen Kamelen und Pferden landeinwärts zieht. Bez de Wit. Feder und Seppia, etwas verworren gezeichnet. 14.4.8.6"; NH Ad: 02: 01, S. 277); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.625-626, Nr.1193

Rembrandt, oder nicht? Zeichnungen von Rembrandt und seinem Kreis aus den Hamburger und Bremer Kupferstichkabinetten, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen, Ostfildern-Ruit 2000, Nr.96 mit Abb.

Werner Sumowski: Roghman - Wulfhagen, hrsg. von Walter L. Strauss, Drawings of the Rembrandt School, Bd. 10, New York 1992, S.5406, Nr.2388xx

Synagoga. Kultgeräte und Kunstwerke von der Zeit der Patriarchen bis zur Gegenwart, Ausst.-Kat. Städtische Kunsthalle Recklinghausen 1960-1961, Nr.D 153 mit Abb.

M. D. Henkel: Teekeningen van Rembrandt en zijn school, Catalogus van de Nederlandsche Teekeningen in het Rijksmuseum te Amsterdam, Bd. 1, Den Haag 1942, S.103, Nr.bei Nr. 1

Gustav Pauli: Zeichnungen alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Niederländer, hrsg. von Hamburger Kunsthalle, Veröffentlichungen der Prestel-Gesellschaft, Bd. 12, Frankfurt a. M. 1926, Abb.Taf. 30