Domenico Campagnola
Schmerzensmann,
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Domenico Campagnola

Schmerzensmann,

Domenico Campagnola

Schmerzensmann

Die bislang kaum beachtete Zeichnung gelangte unter der Zuschreibung an Domenico Campagnola ins Kabinett, was Bernard Berenson 1928 bei einem Besuch des Kupferstichkabinetts bestätigte.(Anm.1) Seitdem blieb die Autorschaft Campagnolas unbezweifelt.
Die Verbindung zu Campagnola erschließt sich in motivischer Hinsicht aufgrund gewisser Ähnlichkeiten mit dem themengleichen Kupferstich des Künstlers.(Anm.2) Dort sind allerdings der Realismus des toten Körpers sowie Anzahl und expressiver Ausdruck der Engel gesteigert.
Das Bildnis des Schmerzensmannes, der sich zum Teil noch im Grab befindet und von Putti gestützt wird, ist ein gängiges Motiv in der venezianischen Kunst vor allem des späten 15. und des 16. Jahrhunderts. Erinnert sei an Gemälde Giovanni Bellinis (1432–1516) in Rimini (Anm.3) oder von Pier Maria Pennacchi (1464–1515), ehemals in Berlin.(Anm.4) Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte der Künstler von diesen oder ähnlichen Lösungen angeregt worden sein. Vor allem zu Pennacchis Gemälde bestehen auffallende kompositionelle Übereinstimmungen, wenn auch die Figur Christi dort nach rechts gewandt erscheint. Deutlich unterschiedlich vom expressiven Gestus des Hamburger Blattes lässt sich bei Pennacchi eine verhaltene Grundstimmung ausmachen.
Für Campagnolas Autorschaft spricht auch die unmittelbar an ihn erinnernde Zeichentechnik. Eine ähnlich unruhige und zum Teil auch ungeordnete Strichführung mit diversen unterschiedlichen Ansätzen und Variabilität in den Kreuzschraffuren findet sich auf der Studie zu „Abraham und Isaak“ in London.(Anm.5) Einschränkend muss aber festgestellt werden, dass es nur sehr wenige derartige Blätter des Künstlers gibt. Der Großteil seines zeichnerischen Œuvres ist mit feinerer Strichtechnik ausgeführt, sodass nicht völlig auszuschließen ist, dass hier ein stark von Campagnola beeinflusster Künstler tätig gewesen ist.

David Klemm

1 Laut Eintrag im Inventarbuch des Kabinetts.
2 The Illustrated Bartsch, 25 (Commentary), Formerly Volume 13 (Part 2), Early Italian Masters, bearb. v. Mark J. Zucker, hrsg. v. Walter L. Strauss, New York 1984, S. 502–503, 2519.006, Abb. S. 503.
3 Rimini, Pinacoteca Communale, „Engelpietà“, um 1474. Siehe auch Giles Robertson: Giovanni Bellini, Oxford 1968, Taf. XLI; Belting 1985, S. 10.
4 Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 49; seit 1945 vermisst; Bernard Berenson: Italian Pictures of the Renaissance. Venetian School, 2 Bde., London 1957, I, S. 141, Nr. 609.
5 London, Courtauld Institute of Art, Witt Coll., Inv.-Nr. 4085, Nr. Rom BH 364694.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Reste einer Umfassungslinie (Feder in Schwarz); unten rechts: Stempel der Sammlung Lagoy (L. 1710); auf dem Verso am linken unteren Rand: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unterhalb davon: Signet der Sammlung van Puten (L. 2058); unterhalb davon bezeichnet: "a[?]" (Bleistift)

Provenienz

Sammlung Jean-Baptiste-Florentin-Gabriel de Meryan Marquis de Lagoy (1764-1829), Aix en Provence (Lugt 1710); van Puten (? - um 1829); Paris (L. 2058); von Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) 1861 in London, wahrscheinlich bei Edward Evans erworben (NH. Ad: 01: 32, fol. 829); NH. Ad: 01: 32, fol. 829 (als Domenico Campagnola): "Zwey wehklagende Engel richten den entseelten Leichnam des Mitlters[?] im Grabe empor. Feder 7.2 / 5.11 Samml. Legoy[!]."; am Rand: "Ev"; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.115-116, Nr.96

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.19, Nr.74

V. T. [nicht aufgelöst]: Amburgo: Mostra di disegni italiani dal XV al XVIII secolo, in: Emporium. Rivista mensile illustrata d'arte e di cultura 76, 1957, Nr. 126, S. 228-229, S.229