Augustin Coppens
Brüssel nach der Beschießung von 1695: Die Ruinen Kirche St. Nicolas, 1695 - 1714
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Augustin Coppens

Brüssel nach der Beschießung von 1695: Die Ruinen Kirche St. Nicolas, 1695 - 1714

Augustin Coppens

Brüssel nach der Beschießung von 1695: Die Ruinen Kirche St. Nicolas, 1695 - 1714

Am 13. und 14. August 1695 wurde das Zentrum der Stadt Brüssel von der französischen Armee in einem 36 Stunden dauernden Bombardement nahezu vollständig zerstört.(Anm.1) Dieses Ereignis markierte einen traurigen Höhepunkt des Neunjährigen Krieges (1688–97), Folge der französischen Expansionspolitik unter Ludwig XIV. Der damals 27-jährige Augustin Coppens gehörte zu den Augenzeugen des Zerstörungswerkes, dessen Ergebnisse er in einer größeren Zeichnungsgruppe festhielt. Zwölf dieser Arbeiten wurden noch im gleichen Jahr in einer gestochenen Folge reproduziert.(Anm.2) Eine zweite Folge, bestehend aus acht Radierungen, erschien 1714.(Anm.3)
Den gegenseitig ausgerichteten Stichen dieser zweiten Ausgabe dienten diese und die folgende Zeichnung als Vorlagen. Inv.-Nr. 21811 zeigt die kleine Kirche St. Nicolas an der Rue au Beurre, nahe der Brüsseler Börse. Die bauliche Situation mit den malerisch an die gotische Fassade geschmiegten Häusern hat sich bis heute nur unwesentlich verändert.(Anm.4) Der auf Inv.-Nr. 21812 dargestellte „Spiegelturm“ („Tour du Miroir“) hingegen brach als Folge des Bombardements am 7. November 1696 zusammen und wurde nicht wieder aufgebaut.(Anm.5) An seiner Stelle befinden sich heute die „Galeries Royales Saint-Hubert“, eine Einkaufspassage aus dem 19. Jahrhundert.
Coppens zeichnete diese Ansichten vermutlich auf Basis älterer Vor-Ort-Aufnahmen als direkte Stechervorlagen. Auf einen zeitlichen Abstand zu den Ereignissen deutet die rückseitige Datierung von Inv.-Nr. 21812 sowie das Wasserzeichen aus dem 18. Jahrhundert. Die bislang unbekannten Vor-Ort-Aufnahmen hat man sich vielleicht ähnlich vorzustellen wie die breit gezeichneten Erstentwürfe zu der ersten Folge von 1695.(Anm.6)
Für Coppens hatte die Darstellung der zerstörten Stadt gewissermaßen identitätsstiftende Wirkung. In einem Porträt aus den Anfängen des 18. Jahrhunderts zeigt sich der Künstler vor den Ruinen der Stadt, auf die er mit einer zusammengerollten Zeichnung weist – ein Gestus, der der Gattung der Feldherrnporträts entlehnt ist und letztlich den Triumph der Kunst über die rohe Gewalt versinnbildlicht, denn zur Entstehungszeit dieses Bildnisses waren die Wiederaufbauarbeiten bereits in vollem Gange.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Dabei brannten 3850 Häuser völlig aus, weitere 460 wurden schwer beschädigt, vgl. De Wilde, in: Véronique van de Kerckhof, Helena Bussers u.a.: Met passer et penseel. Brussel en het oude hertogdom Brabant in beeld, Ausst.-Kat. Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Tournai 2000, S. 249.
2 „Perspectives des ruines de la ville de Bruxelles designées au naturel par Augustin Coppens 1695“, teilweise gestochen von Richard van Orley.
3 „Vues et Ruines de la Tour de St. Nicolas à Bruxelles, relevée apres le Bombardement crou la le 29 Juillet 1714 comme aussi Les ruines de la tour du Miroir & maisons des Orfèvres, tombées le 7 Nocemb. 1696 Quod Attestor Dessignées au naturel par Augustin Coppens, Et gravées à l’eau forte par Jean Laur. Krafft“; für die Übermittlung dieser Information, basierend auf dem Exemplar in Brüssel, Bibliothèque Albert I.er, Inv.-Nr. S IV 27693, danke ich Stefaan Hautekeete, Brüssel.
4 Der gegenseitige Stich des Jan Lauwryn Krafft, drittes Blatt der Folge, trägt die Inschrift „Vue de ruines de la tour & des maisons aux environs, dès les trois Déesses vers la rue au beure“, gemäß Stefaan Hautekeete (Mitteilung per E-Mail, 20. 11. 2009), unter Berufung auf das Exemplar in Brüssel, Bibliothèque Albert I.er, Inv.-Nr. S IV 27700.
5 Kraffts Radierung, in der Folge die Nummer 5, trägt die Inschrift „Vue des ruines de la tour étant près la ruelle de la mort“, siehe Anm. 4, vgl. Brüssel, Bibliothèque Albert I.er, Inv.-Nr. S IV 27697.
6 Z. B. Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Nr. Tu 89 b,1 (302 x 393 mm), Corpus Gernsheim 72783; ebd., Nr. Tu 89 b,4 (310 x 407 mm), Corpus Gernsheim 72 786, oder ebd. Nr. Tu 89 b,9 (312 x 408 mm), Corpus Gernsheim 72791. Mit unseren Blättern im Format annähernd übereinstimmend, aber etwas feiner gezeichnet sind die Zeichnungen in Kopenhagen, Inv.-Nr. Tu 56,3 (181 x 257 mm), Corpus Gernsheim 72245, Oxford, Ashmolean Museum, Inv.-Nr. WA 1939.87 (198 x 320 mm), Corpus Gernsheim 42274, und Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/2564 a (188 x 258 mm), und Inv.-Nr. 4060/2564 (188 x 258 mm), Ausst.-Kat. Brüssel 2000, Nr. 138 und 139.
7 Coomans 2000, S. 179–180; Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 38, Véronique van de Kerckhof, Helena Bussers u.a.: Met passer et penseel. Brussel en het oude hertogdom Brabant in beeld, Ausst.-Kat. Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Tournai 2000, Nr. 4.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links bezeichnet: "1689" (Feder in Braun); rechts davon: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Wappen von Amsterdam (Heawood 415, Nijmegen 1725)
24-25 mm (v)

Verso

Titel verso: Gebäude und Gebäudeteile

Technik verso: sehr flüchtig mit Graphit skizziert

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 13: "[Coppens] Aehnliche Composition [Ruinen von Brüssel nach dem großen Brande]. Bez. 1689. {Selbige} Gegenstück. Beide {Blätter} Zeichnungen haben {zu Radierungen} gehört {denen der Künstler} für eine Folge von Bl., unter dem Titel Perspectives des ruines de ville des Bruxelles, im Jahr 1695 erschienen; {herausgegeben}. Siehe: Theils vom Künstler selber, Theils von R. van Orley radiert."; NH Ad: 02: 01, S. 247); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.171, Nr.219