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Adam Elsheimer, Zeichner
Die Verspottung der Ceres, um 1605-08
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Adam Elsheimer, Zeichner

Die Verspottung der Ceres, um 1605-08

Adam Elsheimer, Zeichner

Die Verspottung der Ceres, um 1605-08

Die Hamburger Zeichnung gehört zu einer Reihe von Ceres-Darstellungen Elsheimers, die um 1605 in Rom entstanden. Dargestellt ist eine Szene aus Ovids Metamorphosen (Buch V, Vers 446–461): Auf der nĂ€chtlichen Suche nach ihrer Tochter Proserpina, die von Pluto entfĂŒhrt wurde, stillt Ceres ihren Durst vor der HĂŒtte der Metanira. Als die allzu gierig Trinkende von dem Knaben Stellio verspottet wird, verwandelt sie ihn in eine Eidechse. Die Zeichnung zeigt Ceres rechts vor dem Haus sitzend, links neben ihr die alte Frau und Stellio. Die Fackel auf den Knien der Ceres bietet neben dem Mond die einzige Lichtquelle der Szene.
Klessman deutet das Blatt als wichtige Vorstufe fĂŒr die malerische Behandlung des Themas, besonders fĂŒr die Inszenierung der nĂ€chtlichen Stimmung. Die fĂŒr die Gouachen (Anm. 1) typische Beleuchtung der Figuren erreicht Elsheimer hier durch die Kontrastierung von Grau-Schwarz Tönen und brauner Grundierung mit Weißhöhungen. Eine weitere Gouache in Vaduz mit der Verwandlung Stellios in eine Eidechse zeigt eine Ă€hnliche Stimmung.(Anm. 2) Andrews hat darauf hingewiesen, dass Elsheimer vermutlich beabsichtigte, mit den verschiedenen Darstellungen die einzelnen Episoden der Ceres-Legende wiederzugeben.(Anm. 3) Den Anfang bildet demnach die Hamburger Szene vor der HĂŒtte, danach folgt im GemĂ€lde die Verspottung und schließlich die Verwandlung Stellios in der Vaduzer Zeichnung. Klessmann sieht die Hamburger Zeichnung dagegen eher als kompositorische Vorstudie fĂŒr das GemĂ€lde an.(Anm. 4) Zwei Zeichnungen im StĂ€del, die frĂŒher Elsheimer zugeschrieben wurden, zeigen weitere Versuche zur Konzeption der Ceres-Gruppe.(Anm. 5) Eine der Zeichnungen Ă€hnelt der Hamburger Darstellung in der Art wie Ceres die Fackel auf den Knien trĂ€gt. Der KĂŒnstler, vermutlich Hendrick Goudt (1583–1648), muss daher bei der Entwicklung der Bildidee beteiligt gewesen sein. In einer Radierung, deren einzig bekanntes Exemplar sich in der Hamburger Kunsthalle befindet (Anm. 6), verĂ€ndert Elsheimer die Komposition, indem er Ceres dem spottenden Knaben und der Alten gegenĂŒberstellt. Die skizzenhafte StrichfĂŒhrung der Radierung weist darauf hin, dass auch die Radierung nur als Experiment fĂŒr die Komposition diente. Die durch den Druck seitenverkehrte Komposition wurde fĂŒr das GemĂ€lde ĂŒbernommen.
Von Elsheimers GemĂ€lde sind mehrere Versionen bekannt, darunter zwei Bilder in Madrid und in Milwaukee in der Sammlung Bader.(Anm. 7) WĂ€hrend das Madrider GemĂ€lde inzwischen als Kopie angesehen wird, ist das Bild aus der Sammlung Bader als Werk Elsheimers anerkannt. Ob es sich dabei um das ursprĂŒngliche Original handelt, konnte auf Grund des schlechten Zustandes des Bildes bisher nicht eindeutig geklĂ€rt werden.(Anm. 8) Ausschlaggebend fĂŒr die Zuschreibung ist ein Kupferstich Hendrick Goudts von 1610 (Hollstein 5), auf dem der Junge wie auf der Radierung Elsheimers den Kopf im Profil dem Betrachter zuwendet.(Anm. 9) Dieses Motiv ist in dem GemĂ€lde aus Milwaukee ĂŒbernommen, auf dem Madrider Bild schaut der Knabe dagegen auf Ceres.
WĂ€hrend Drost die Hamburger „Verspottung“ als Kopie abschrieb, ist Elsheimers Autorschaft heute uneingeschrĂ€nkt anerkannt. Möhle hat das Blatt zwischen 1605–1608 datiert.(Anm. 10) Vergleiche mit stilistisch verwandten Werken Elsheimers haben inzwischen erwiesen, dass die GemĂ€ldefassung der „Verspottung“ nicht spĂ€ter als 1605 entstanden sein kann, was fĂŒr unsere Zeichnung bedeutet, dass sie eher noch frĂŒher zu datieren ist.(Anm. 11)

Petra Roettig

1 Insgesamt sieben Gouachen werden Elsheimer zugeschrieben: „Tobias und der Engel“, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, KdZ 8498; „Die Enthauptung Johannes des TĂ€ufers“, Chatswoth, Trustees of Chatsworth Settlement, Inv.-Nr. 851 C; „Ceres verwandelt den spottenden Knaben in eine Eidechse“, Vaduz, Stiftung Wolfgang Ratjen (ehemals ZĂŒrich, Sammlung Kurt Meissner); „Bathseba im Bade“, Wien, Albertina, Inv.-Nr. 3345; „Jupiter und Merkur bei Philemon und Baucis“, Warschau, Muzeum Narodowe, Inv.-Nr. 146603/17 MNW; „Sitzende Frau (Studie der Bathseba ?)“, Privatbesitz (vgl. Aukt. Kat. Christie’s London. Old Master Drawings, 1.7.1997, S. 212, Nr. 207). Vgl. Andrews 1985, S. 199–200, Nrn. 47–51; Ausst.-Kat. Frankfurt 2006, S. 182–184, Nrn. 42–46. Ich danke Joachim Jacoby, DĂŒsseldorf, fĂŒr Hinweise.
2 Vgl. Anm 1.
3 Keith Andrews: A Rediscovered Elsheimer Drawing, in: Master Drawings, Vol. IX, Nr. 1, 1971, S. 38–39.
4 Klessmann 1997, S. 242 und Ausst.-Kat. Frankfurt 2006, S. 142.
5 Frankfurt am Main, StĂ€delsches Kunstinstitut, Graphische Sammlung, Inv.-Nrn. 5892 und 672, vgl. Möhle 1966, S. 167–169, Nrn. A 2 und A 3, Taf. 46 und 47 und Klessmann 1997, S. 242–243.
6 Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 12870, vgl. Andrews 1985, S. 201, Nr. 56, Taf.
7 Madrid, Museo del Prado, Inv.-Nr. 2181; Milwaukee, Sammlung Dr. Alfred und Isabel Bader, vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt 2006, S. 138–143, Nr. 26 und 27, Abb.
8 Ebd. und Klessmann 1997, S. 245–247.
9 Ebd., S. 142–143 und Kat. 51, Abb.
10 Möhle 1966, S. 143.
11 Vgl. Ausst.-Kat. Frankfurt 2006, S. 143.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben rechts signiert: "A/E" (Feder in Braun), unten rechts: Stempel E. Calando (L. 837)

Auf dem alten Untersatzkarton bezeichnet: "Adam Elsheimer mort en 1620" (Feder in Braun); auf dem Verso nummeriert: "no. 77" (Feder in Braun) und bezeichnet: "1512 P. No. 8. 3662 c."; unterhalb davon bezeichnet: "Ceres buvant a la porte de la veille Baubo; cf Elsheimer. tableau musee de Berlin e Madrid.", unten links nummeriert: "No. 216", rechts daneben bezeichnet: "Vente Guichardot" (alle Bleistift)

Provenienz

Sammlung (?) Guichardot, Paris (nicht bei Lugt); E. Calando (2. H. 19. JH.), Paris (L. 837); Simon Meller (1875-1949), Budapest (nicht bei Lugt); Ankauf dort von Frits Lugt (1884-1970), Amsterdam/Paris (L. 1028, vgl. Inventar Collection Frits Lugt, Bd. II, S. 49, Nr. 2861, Paris, Fondation Custodia), 1927; Ankauf im Tausch von diesem, 20.9.1927 (1)

1) Mit angekauft wurde das Blatt "Der heilige Hieronymus im Gebet" von Rembrandt (Inv. Nr. 1927-4). Abgegeben wurden Graphische BlĂ€tter von: Buytech, de Bray, Everdingen, Kessel I, Goltzius (2), van Uden, J. van Ruisdael (2), Achtschellings, Troost, den Uly, Waterloo). Die Ankaufssumme fĂŒr das Blatt von Elsheimer wurde auf 1500,00 RM festgelegt. Siehe HAHK: Slg 623 VerkĂ€ufe aus dem Kupferstichkabinett und der Bibliothek, 1.1.1922 bis 31.12.1948, 117.

Bibliographie

Dialog der Meisterwerke. Hoher Besuch zum JubilÀum, hrsg. von Max Hollein, Ausst.-Kat. StÀdel Museum, Frankfurt 2015, Abb.S. 231

J. F. Heijbroek: Frits Lugt 1884-1970. Living for Art. A Biography, Bussum/Paris 2012, S.188

Joachim Jacoby: Die Zeichnungen von Adam Elsheimer. Kritischer Katalog, hrsg. von StÀdel Museum Frankfurt, Graphische Sammlung, Frankfurt am Main 2008, S.216-220, Nr.25, Abb.217

Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland. Barock und Rokoko. Band V, hrsg. von BĂŒttner, Frank, Prestel Verlag 2008, S.499-500, Nr.306, Abb.S. 159

Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Katalog, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 1, Köln u.a. 2007, S.160-161, Nr.314, Abb.Farbtafel S. 42

Im Detail die Welt entdecken. Adam Elsheimer 1578-1610, hrsg. von RĂŒdiger Klessmann, Ausst.-Kat. StĂ€delsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, Wolfratshausen 2006, S.142, Abb., 182, Nr.bei Nr. 27 und Nr. 42, Abb, Abb.S. 29 und 94

RĂŒdiger Klessmann: Adam Elsheimer, sein Leben und seine Kunst, in: Adam Elsheimer 1578-1610: im Detail die Welt entdecken, hrsg. von RĂŒdiger Klessmann, Ausst.-Kat. StĂ€delsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main, Wolfratshausen 2006, S. 11-41., S.29, Abb.39

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von DĂŒrer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.158-159, Nr.74, Abb.

RĂŒdiger Klessmann: Elsheimers 'Verspottung der Ceres' - zur Frage des Originals, in: StĂ€del-Jahrbuch N. F. 16, 1997, S. 239-248, S.242, Abb.3

Old Master Drawings, 1.7.1997, Christie's, London 1997, S.212, Nr.bei Nr. 207

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, MĂŒnchen 1989 (2. erw. Aufl.), S.194, Nr.429, Abb.

Von DĂŒrer bis Baselitz. Deutsche Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1989, S.58-59, Abb., Nr.24

Gottfried Sello: Adam Elsheimer, MĂŒnchen 1988, S.80, Abb.51

Maciej Monkiewicz: A Drawing of Elsheimer in the Collection of the National Museum in Warsaw, in: Bulletin du Musée National de Varsowie XXIX, 1988, Nr. 4, S. 93-105, S.97, Abb.10

Claudia Nordhoff: Elsheimers vier mythologische Landschaften nach Ovid und ihre Bildtradition, Hamburg, Univ., Mag. 1986, S.70-73, Abb.42

Keith Andrews: Adam Elsheimer. Werkverzeichnis der GemĂ€lde, Zeichnungen und Radierungen, MĂŒnchen 1985, S.34-35, 200, Nr.50, Abb.Taf. 36

Keith Andrews: Das Problem der Elsheimer-Gouachen, in: Sitzungsberichte. Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin N.F. Heft 28/29, 1981, S. 23-85, S.25

Eckhard Schaar: Die gezeichnete Welt, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1977, S.o.S., Abb.

Keith Andrews: Adam Elsheimer. Paintings - Drawing - Prints, Oxford 1977, S.163, Nr.50, Abb.Taf. 83

Gode KrÀmer: Das Kompositionsprinzip bei Adam Elsheimer, in: StÀdel-Jahrbuch N.F. Heft 28/29, 1973, S. 145-172, S.158

Keith Andrews: A rediscovered Elsheimer Drawing, IX, 1971, Nr. 1, S. 38-39, S.38

Hundert Meisterzeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle 1500-1800, Bd. 5, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1967, S.31-32, Nr.39, Abb.39

Adam Elsheimer. Werk, kĂŒnstlerische Herkunft und Nachfolge, Ausst.-Kat. StĂ€delsches Kunstinstitut Frankfurt a. M. 1966/67., S.86, Nr.140, Abb.105

Deutsche Maler und Zeichner des 17. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Schloß Charlottenburg, Berlin 1966, S.108-109, Nr.131, Abb.129

Möhle, Hans: Die Zeichnungen Adam Elsheimers. Das Werk des Meisters und der Problemkreis Elsheimer - Goudt, Berlin 1966., S.142-143, Nr.37, Abb.37

Drost, Willi: Adam Elsheimer als Zeichner. Goudts Nachahmungen und Elsheimers Weiterleben bei Rembrandt. Ein Beitrag zur Strukturforschung, Stuttgart 1957, S.58 (abgeschrieben), Abb.67

Deutsche Zeichnungen 1400-1900, Ausst.-Kat. Staatliche Graphische Sammlung MĂŒnchen, MĂŒnchen 1956, S.48, Nr.109

Heinrich WeizsĂ€cker: Adam Elsheimer. Der Maler von Frankfurt. Erster Teil: Des KĂŒnstlers Leben und Werke, hrsg. von Hans Möhle, Bd. 1, Berlin 1936, S.189, Abb.Taf. 93

Ein Halbjahrtausend deutscher Zeichnung, hrsg. von Kunsthalle Bremen, Bremen 1936, S.15, Nr.58

Gustav Pauli: Die Kunsthalle zu Hamburg 1927. Jahresbericht der Verwaltung, Hamburg 1928, S.10, Abb.30

18, Nr.114

42, Nr.bei Nr. 42

Yves Bonnefoy: Une CĂ©res Ă  la nuit d' Adam Elsheimer, in: La Revue de Franco Maria Ricci 8, Nr. 41, S. 22-25, Abb.25