Allaert van Everdingen
Landschaft mit einer Stadt im Hintergrund, vorne zwei Träger, 1660 - 1670
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Allaert van Everdingen

Landschaft mit einer Stadt im Hintergrund, vorne zwei Träger, 1660 - 1670

Allaert van Everdingen

Landschaft mit einer Stadt im Hintergrund, vorne zwei Träger, 1660 - 1670

Diese sechs kleinen Landschaften in brauner Tusche bilden mit mehr als 40 weiteren Blättern die insgesamt größte Gruppe im gezeichneten Œuvre des Künstlers.(Anm.1) Viele dieser Zeichnungen lassen sich topographisch bestimmen wie z. B. Inv.-Nr. 21892, die bei Egmont aan Zee und nicht, wie bei Harzen beschrieben, am Strand von Scheveningen aufgenommen wurde.(Anm.2) Auch auf den anderen Blättern sind einheimische Orte und Gegenden dargestellt. Mit diesen Zeichnungen kam Van Everdingen offensichtlich einem wachsenden Interesse an topographischen Darstellungen entgegen, das sich auch bei anderen Künstlern seit den frühen 1660er Jahren wahrnehmen lässt.(Anm.3)
In Motiv und Format erinnern die Zeichnungen an Randvignetten von Landkarten oder gedruckten Texten, ohne dass allerdings ein Hinweis auf geplante graphische Umsetzung gegeben ist, wie noch von Wagner im Ausst.-Kat. Hamburg 1994/95 vorgeschlagen wurde.
Davies hält für diese Zeichnungsgruppe eine Entstehung ,in situ‘ für möglich, ungeachtet der Tatsache, dass schwarze Kreide die dafür geeignetere Technik wäre.(Anm.4) Eher indes machen die in sich vollendeten Kompositionen mit den kleinen Staffagefiguren den Eindruck eigenständiger Kunstwerke, für die offensichtlich ein eigener Markt existierte: Mit Inv..-Nr. 21985 und 21986 besitzt die Kunsthalle vergleichbare Arbeiten von der Hand Jan van Goyens.
Auch im 18. Jahrhundert waren kleinformatige Landschaften mit topographischem Bezug außerordentlich beliebt. Es gab Kopien und Nachahmungen im Stil dieser kleinformatigen Blätter,(Anm.5) und auch die Seestücke des Hendrik Kobell (Inv.-Nr. 1963-241-1963-242) sind sicher auf das Vorbild der Van Everdingen-Zeichnungen zurückzuführen.
Die Hamburger Zeichnungen wurden mit Ausnahme von Inv.-Nr. 21896 und 21894 rückseitig bezeichnet von ihrem Vorbesitzer Ploos van Amstel. Dies betrifft sowohl die bei Lugt aufgeführten Angaben zu Urheber und Maßen (L. 3002–3004) als auch eine Reihe weiterer Kodierungen, die von Davies (2007) erstmals systematisch untersucht wurden.(Anm.6) Dazu gehören die offensichtlich auf den Preis verweisenden Annotationen „ƒ ha“ (Inv.-Nr. 21891, 21892) und „ƒ hL“ (Inv.-Nr. 21896), wobei sich der Buchstabe „ƒ“ auf die Währung in holländischen Gulden bezieht, während die weiteren Kürzel vermutlich auf den entsprechenden Ankaufsbetrag verweisen. Eine davon abzugrenzende Annotation bezieht sich offenbar auf den Aufbewahrungsort der Blätter. Diese besteht aus der Seitenzahl und einem Buchstaben für das jeweilige Album.(Anm.7) In unserem Fall betrifft dies Inv.-Nr. 21892 (I:N 16), 319 (I:N 23) und 321 (I:N 25): Die drei Zeichnungen befanden sich also im Kunstbuch „I“ auf den Seiten 16, 23 und 29. Am gleichen Ort wurden weitere Zeichnungen der Gruppe verwahrt: Entsprechende Nummern finden sich auf Zeichnungen in Amsterdam, Brüssel und ehemals belgischem Privatbesitz.(Anm.8) Dies lässt eine gewisse Systematik erkennen: Offensichtlich wurden die Zeichnungen von Ploos gemäß ihrer Größe sortiert.(Anm.9)
Bislang ungeklärt ist hingegen die Bedeutung des Sammlerzeichens auf Inv.-Nr. 21891 und Inv.-Nr. 21893.(Anm.10) Weder lässt sich der in einen Kreis eingeschriebene Buchstabe genau bestimmen, noch die darunter angegebene Notation. Lediglich der jeweils letzte Buchstabe dieser Nummerierung ist eindeutig auszumachen als „a“ bzw. „b“. Dies lässt darauf schließen, dass beide Zeichnungen in einer alten Sammlung als Pendants verwahrt wurden. Angesichts der Tatsache, dass Inv.-Nr. 21891 mit Sicherheit aus der Sammlung Ploos van Amstel stammt, ist diese Provenienz auch für Inv.-Nr. 21893 wahrscheinlich, vielleicht als Gegenstück zu Inv.-Nr. 21891.(Anm.11) Auch Inv.-Nr. 21892 und 21896 galten wohl bereits bei Ploos als Pendants. Lediglich Inv.-Nr. 21894 wurde vermutlich erst von Harzen mit Inv.-Nr. 21895 zusammengestellt aufgrund der engen formalen Bezüge.(Anm.12)

Annemarie Stefes

1 Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 17; vgl. ebd. Nr. 353–399.
2 Vgl. eine von Jan Abrahamsz. Beerstraaten gezeichnete Ansicht, Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 694, Hollandse stranden in de Gouden Eeuw, Ausst.-Kat. Katwijk 2004, Abb. 52.
3 Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 17.
4 Davies 2007, S. 17, 18.
5 Vgl. Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 85 und 144 und Abb. 64–66.
6 Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 32–34.
7 Siehe Anm. 6.
8 I:N 15, I:N 18 und I:N 30 befinden sich in Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1884-A-321, Inv.-Nr. RP-T-1884-A-322 und Inv.-Nr. RP-T-1884-A-327, Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, Nr. 377, 353 und 379; I:N 25 in ehemals belgischem Privatbesitz, Davies 2007, Nr. 372: I:N 34 in Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/1267, ebd. Nr. 380.
9 Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 32–34 konnte für Van Everdingen die weiteren Alben L:N, J und O rekonstruieren, in denen offensichtlich jeweils verwandte Everdingen-Zeichnungen gleichen Formats verwahrt wurden.
10 Diese Marken waren auch den Bearbeitern der Neuauflage von Lugts „Marques de Collections“ noch nicht bekannt, Brief von Rhea Sylvia Blok, 23. 5. 2007.
11 An eine Ploos-Provenienz dachte auch Alice Davies, E-Mail vom 22. 9. 2009. Tatsächlich markierte Ploos nicht jede Zeichnung aus seinem Besitz – gerade im Falle von Pendants wurde oft nur eines der Blätter entsprechend bezeichnet, vgl. Frits Lugt: Les Marques de Collections de Dessins et d'Estampes, Amsterdam, Den Haag 1921, S. 373 und Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 34. Eine genaue Bestimmung der auf der Ploos-Auktion im Kunstbuch GG verzeichneten Blätter ist allerdings nicht immer möglich, vgl. Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, S. 25.
12 Für dieses Blatt hält Davies eine Herkunft aus der Sammlung Ploos für wenig wahrscheinlich, E-Mail vom 21. 8. 2009.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso oben links: unbekannte Sammlermarke „D.“ [?]; unterhalb davon von gleicher Hand nummeriert: "C 15[?] b." (Feder in Braun); unterhalb davon: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unterhalb davon von der Hand Ploos van Amstels bezeichnet: "A: v. Everdingen f. / hoog 2 dm / br 2 1/2 d" (Feder in Braun); unten links bezeichnet: "ƒ ha" (Bleistift); unterhalb davon bezeichnet: "ƒ ha" (Feder in Braun, beides wohl von der Hand Ploos van Amstels)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
28 mm (h)

Provenienz

Cornelis Ploos van Amstel (1726-1798), Amsterdam (L. 3002-3003); dessen Auktion Amsterdam 1800 (Lugt, Ventes 6031) an Roos (ƒ 45) oder van der Schley (ƒ 11), zusammen mit Inv. Nr. 21893 ("Twee stuks, een Strand en een Land- en Watergezigt, met fraaije stoffagie" oder "Twee stuks, een Land- en Riviergezigt en een woelende zee, met zeilende schepen"); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 19: "[Aldert van Everdingen] Gegend von Amsterdam, auf einem Deiche ein Milchbauer. Bister 3.2 /1.10 Samml. Ploos van Amstel."; NH Ad: 02: 01, S. 249); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.218-219, Nr.316

Alice I. Davies: The Drawings of Allart van Everdingen. A Complete Catalogue, Including the Studies for Reynard the Fox, Doornspijk 2007, Nr.369 mit Abb.

Alice I. Davies: Allart van Everdingen 1621-1675. First Painter of Scandinavian Landscape, Doornspijk 2001, S.140, Anm. 4 und 5

Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, S.13, 147, Nr.44

Jeffrey Ruda: The Art of Drawing. Old Masters from the Crocker Art Museum, Sacramento, California, Ausst.-Kat. The Flint Institute of Arts, Flint (Michigan) 1992, S.142 bei Nr. 60a, b

Catalogus der Teekeningen, Prenten, Schilderyen, Miniatuuren, Emailles, Beeldwerken ... van wylen den Heer Cornelis Ploos van Amstel, Jac. Cornsz., 3.3. und folgende Tage, Philippus van der Schley, Jan de Bosch, Bernardus de Bosch, Jan Yver, Cornelis Sebille Roos, Amsterdam 1800, S.182, Nr.GG 15 oder GG 23