Einsamkeit?
»Nie war es leichter, ihre Ursache auszumachen. In einem Jahr, in dem Abstände ein- und Kontakte gering zu halten sind, ist das Verzeichnen ansteigender Einsamkeit wenig überraschend, weniger noch in einer Gesellschaft mit stetig wachsenden Einpersonenhaushalten und demographischem Wandel.
Die Einsamkeit erscheint schnell mit dem physischen Alleinsein erklärt. Dass dem nicht (immer) so ist und im Umkehrschluss physische nicht mit emotionaler Nähe gleichbedeutend ist, zeigen uns Edvard Munchs Mädchen auf der Brücke. Dicht an dicht lehnen drei Mädchen am Geländer. Während ihre Begleitung auf das Wasser sieht, wendet sich eines der Mädchen ab. Mehr noch als ihre Haltung ist es ihr nach innen gewendeter Blick, der sie einsam wirken lässt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das Geländer und die Straße, die einen regelrechten Sog entstehen lassen. Anders als Einsamkeit inmitten von Gesellschaft mutet Einsamkeit infolge physischer Distanz nahezu erleichternd an.«
Sjusanna Eremjan (ehemalige wissenschaftliche Volontärin)