Bedeutendste Neuerwerbung für 2021

Skulptur von De Bruyckere der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen

Presseinformation

Erstmalig in Deutschland geht damit ein Werk der international renommierten Künstlerin Berlinde De Bruyckere in eine öffentliche Museumssammlung über 

Die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen stellt die lebensgroße Skulptur Arcangelo II (2020) der belgischen Künstlerin Berlinde De Bruyckere (*1964) für die Hamburger Kunsthalle als Dauerleihgabe zur Verfügung. Mit dieser bedeutendsten Neuerwerbung für das Museum im Jahr 2021 findet zugleich erstmalig ein Werk der Künstlerin – die zu den renommiertesten Bildhauerinnen der Gegenwart zählt – Eingang in eine öffentliche Museumssammlung in Deutschland. Seit einigen Jahren findet De Bruyckere mit ihren originären und mutigen skulpturalen Bildfindungen große internationale Anerkennung. Verletzlichkeit und Vitalität bestimmen ihr künstlerisches Werk – Themen, die gerade in der Pandemie eine besondere Bedeutung erfahren haben. Die Skulptur aus Wachs, Holz, Tierhaaren, Metall und Epoxidharz weist Bezüge zur Literatur, zur klassischen Mythologie und insbesondere zur christlichen Ikonographie auf. Sie ist jedoch aus einem religiösen Kontext herausgelöst und berührt ganz aktuelle Themen wie universelles Leid, Gewalt und Einsamkeit. In Referenz zu der Gestalt eines »Erzengels«, wie es der Werktitel Arcangelo II – übersetzt aus dem Italienischen – suggeriert, wird die Figur einer beschützenden Begleitung beschworen und gewürdigt. Das über drei Meter hohe Gesamtwerk lässt eine Skulptur auf einem Holzpodest hoch über uns und leicht nach vorne gebeugt zwischen Fallen und Fliegen balancieren. Der Körper ist fast gänzlich durch eine Decke aus Tierhaar verhüllt. Der Abstraktionsgrad der Verhüllung kontrastiert mit den äußerst realitätsgetreu aus Wachs modellierten Füßen.

Ab dem 30. November 2021 wird die eindrucksvolle Skulptur in der Hamburger Kunsthalle in einem Saal der Alten Meister zu sehen sein. Vielfältige Bezüge und Dialoge über die Jahrhunderte hinweg sind das Anliegen dieser künstlerischen Intervention, die von Dr. Brigitte Kölle, der Sammlungsleiterin Kunst der Gegenwart, initiiert wurde. Der Erwerb von Arcangelo II läutet das Jubiläum »25 Jahre Galerie der Gegenwart« ein, das die Hamburger Kunsthalle im Jahr 2022 feiert. Als eines der bedeutendsten Kunstmuseen Deutschlands erweitert die Kunsthalle seit der Eröffnung der Galerie der Gegenwart in 1997 die Sammlung der Kunst der Gegenwart systematisch. Die wesentlichen internationalen Entwicklungen und Künstlerpositionen seit 1960 können exemplarisch aufgezeigt und Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Das Werk von Berlinde De Bruyckere ergänzt die bisherigen zentralen bildhauerischen Positionen und fügt sich zudem in den speziellen Sammlungsstrang starker, internationaler Bildhauerinnen von Jenny Holzer, über Cady Noland und Rosemarie Trockel bis hin zu Mona Hatoum und Edith Dekyndt ein.

Die Stiftung für die Hamburger Kunstsammlungen unterstützt die Hamburger Kunsthalle seit Mitte der 1950er-Jahre unerlässlich durch Ankäufe der Alten Meister bis zur Gegenwartskunst. Die von der Stiftung erworbenen Werke bleiben deren Eigentum und sind zudem Dauerleihgaben des Museums.

Berlinde De Bruyckere (*1964 in Gent) studierte, lebt und arbeitet in Gent. Seit Ende der 1980er-Jahre wurde sie zu zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Belgien und im Ausland eingeladen. International bekannt wurde sie mit Skulpturen aus Pferdehäuten, die sie 2003 im italienischen Pavillon auf der Biennale in Venedig präsentierte. Gleichzeitig entstanden erste Plastiken von menschlichen Körpern aus gegossenem Wachs. Wichtige Einzelausstellungen fanden u. a. im Maison Rouge, Fondation Antoine de Galbert, Paris (2005), in der Kunsthalle Düsseldorf (2006) und im Leopold Museum, Wien (2016) statt.

Die Künstlerin sagt über Arcangelo II: »The Arcangelo’s embody the caregivers that unceasingly tended to the sick and the dying in this last year, the angels of our time. These angels are not glorious mystical beings with golden wings and glimmering halos. They are rather dark creatures, both ominous and consoling, strong yet vulnerable, between human and divine. […] What I want to achieve here is for people not to look at my work as something beautiful. I want to touch them where they are afraid to be touched. Address those things they do not find words for.«

Prof. Dr. Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle:
»Die zum Auftakt des Jubiläumsjahres der Galerie der Gegenwart durch die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen für die Kunsthalle erworbene Arbeit von Berlinde de Bruykere verkörpert auf sinnfällige Weise die andauernde Gegenwart unserer Kunstwerke: Arcangelo II ist ein Werk, in dem eine barocke Trauersymbolik in einer skulpturalen Arbeit der Gegenwart eingefangen und umgedeutet wird. Dem Charakter des Werkes entsprechend wird es in der Hamburger Kunsthalle zuerst in den Sälen der Alten Meister präsentiert.«

Arndt Klippgen, Geschäftsführer der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen:
»Der Ankauf von Arcangelo II ist die bedeutendste Sammlungserweiterung, die unserer Stiftung der Hamburger Kunsthalle in diesem Jahr als Dauerleihgabe überlässt. Wir sind sehr stolz darauf dieser Empfehlung von Brigitte Kölle gefolgt zu sein, mit der Hamburg als erstes Museum in Deutschland einen Ankauf eines Werks von Berlinde De Bruyckere tätigt.«

Dr. Brigitte Kölle, Sammlungsleiterin Kunst der Gegenwart, Hamburger Kunsthalle:
»Wir freuen uns außerordentlich, Arcangelo II in unsere Sammlung aufnehmen zu dürfen. Mit ihrer berührenden und ausdrucksstarken Arbeit gesellt sich Berlinde De Bruyckere zu einer Reihe wichtiger zeitgenössischer Bildhauerinnen in der Sammlung der Hamburger Kunsthalle wie Mona Hatoum, Jenny Holzer, Rosemarie Trockel, Haegue Yang und anderen, und fügt ihnen eine weitere originäre Position hinzu.«