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Goodbye and Hello

Johan Christian Dahl und Carl Blechen
Johann Christian Dahl, Elbe am Neustädter Ufer in Dresden im Abendlicht, 1837, Öl auf Papier, 25,7 x 35 cm,

Presseinformation

HAMBURGER KUNSTHALLE RESTITUIERT EIN GEMÄLDE DAHLS NACH COTTBUS
pm_hamburger_kunsthalle_restituiert_gemaelde_von_dahl_an_cottbus_goodbye_and_hello.pdf

Ausstellungseröffnung: GOODBYE AND HELLO – Johan Christian Dahl und Carl Blechen
Ausstellung wird im Anschluss in Cottbus gezeigt


Hamburg/Cottbus, 27. Mai 2021Mit der heutigen offiziellen Übergabe der Ölstudie Elbe und Neustädter Ufer in Dresden im Abendlicht (1837) von Johan Christian Dahl (1788–1857) in der Hamburger Kunsthalle durch Direktor Prof. Dr. Alexander Klar an Dr. Stefan Körner, Vorstand der Cottbusser Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz, wird die Restitution vollzogen. Voraus­gegangen waren fast zwei Jahrzehnte Provenienzforschung und zahlreiche Ver­handlungsrunden. Das 1988 von der Hamburger Kunsthalle erworbene Gemälde des norwegischen Landschaftsmalers gehörte bereits zum Erwerbs­zeitpunkt recht­mäßig in den Bestand der Städtischen Sammlung, Cottbus, wo es während der Kriegswirren abhandengekommen war. Die Hamburger Kunsthalle steht zu ihrer historischen Verantwortung und restituiert das Gemälde ohne Ausgleichszahlung, die sonst häufig bei der Rückgabe von Museum zu Museum beansprucht wird. Das Dahl-Gemälde wird mit der heute eröffneten Ausstellung GOODBYE AND HELLO, die bis zum 8. August 2021 zu sehen ist, verabschiedet. Für die Dauer der Prä­sentation begrüßt die Hamburger Kunsthalle zudem das Gemälde Kreidefelsen auf Rügen von Carl Blechen (1798–1840), eine Leihgabe der Stadt Cottbus, die von 1911 bis 1924 selbst Teil der Sammlung der Hamburger Kunsthalle war. 1938 erwarb die Stadt Cottbus das Werk, das heute als Teil der Carl-Blechen-Samm­lung der Stadt Cottbus von der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz in Cottbus präsentiert wird. Dort wird die Stiftung die aktuelle Ausstellung vom 19. August bis zum 31. Oktober 2021 in der Carl-Blechen-Sammlung im Be­sucherzentrum in der Gutsökonomie von Branitz zeigen.
 
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg: »Die Restitution des Gemäldes von Johan Christian Dahl ist Ergebnis gelungener Provenienzforschung. Dieser Fall bestätigt, wie wichtig
es ist, Provenienzforschung als integralen Bestandteil der musealen Arbeit zu begrei­fen. Hamburg war und ist hier mit der personellen Verankerung dieses Forschungsbereichs in der Hamburger Kunsthalle und anderen Museen Vorrei­terin. Die Museen können dadurch kontinuierlich an der Sammlungsgeschichte arbeiten, diese sukzessive aufbereiten und hieraus konkrete Entscheidungen ziehen. Besonders froh bin ich über die Restitution nach Cottbus und die Koope­ration mit Cottbus, da sie Ausdruck der auch historischen Verbindungen von West nach Ost ist und diese stärken kann.«
 
Holger Kelch, Oberbürgermeister der Stadt Cottbus: »Diese Ölskizze Dahls gehörte 1913 zu den ersten Erwerbungen beim Aufbau der Carl-Blechen-Sammlung von Cottbus, der Geburtsstadt eines der wichtigsten deutschen Landschaftsmaler im 19. Jahrhundert. Angesichts der Verlustgeschichte und Rück­gabe kommt mir ein Zitat des Schweizer Autors Adolf Muschg in den Sinn: ‚Die Zukunft wird auf dem Ni­veau unseres Umganges mit der Vergangenheit gewonnen oder verloren...' - Dem eingedenk sehe ich bei allen Herausforderungen und Erschwernissen mit Optimismus der Zukunft in unserem Land entgegen.«
 
»Johan Christian Dahls Elbe und Neustädter Ufer in Dresden im Abendlicht von 1837 wurde von der Ham­burger Kunsthalle 1988 erworben, durchaus in Kenntnis der Tatsache, dass es bis 1945 der städ­tischen Sammlung Cottbus gehört hatte. Die Geschichte dieses Bildes zeigt, dass sich unrechtmäßige Erwerbun­gen keines­falls auf jüdisches Eigentum beschränken, sondern dass auch die deutsche Nachkriegsgeschich­te ihre Spuren in Provenienzen hinterlassen hat. Ich freue mich sehr, dieses Bild nach Cottbus restituieren zu können. Die Hamburger Kunsthalle möchte damit ihrer historischen Verantwortung gerecht werden und zugleich vor­bildhaft für andere Institutionen wirken. Ich danke Ute Haug, der Leiterin der Provenienzfor­schung an der Hamburger Kunsthalle, die das Projekt der Restitution geleitet hat sowie dem zuständigen Sammlungsleiter Markus Bertsch, der ohne Zögern für die Restitution dieses für unsere Sammlungen wichtige Bild votierte«, sagt Prof. Dr. Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle.
 
Für Dr. Stefan Körner, Vorstand der Cottbusser Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz ist der heutige Tag ein Glückstag: »Auf diesen Tag haben wir 76 Jahre gehofft. Nach Jahrzehnten des Verschollenseins wurden nach der deutschen Wiedervereinigung zwischen den Städten erste Gesprächsfäden über das Bild aufgenommen. Jedoch erst jetzt ermöglichte die Hamburger Kunst­halle die Rückführung dieses für die Cottbuser Sammlung herben Kriegsverlustes nach Branitz. Besonders dem konsequenten Wirken der Provenienzforschung unter Alexander Klar ist diese glückliche Rückkehr, kluge Kabinettausstellung und zukünftige Zusammenarbeit der Hamburger Kunsthalle und der Stiftung in Branitz zu verdanken. Für den Umgang von Kriegsverlusten von Museen in anderen Museen ist dies ein herausragendes museumsethisches Signal von Seltenheit. Hamburg und Cottbus wird dieser Glückstag verbinden. Danke!«
 
Dass die Provenienzforschung häufig einen langen Atem benötigt, erläutert Dr. Ute Haug, Leitung Pro­venienzforschung & Sammlungsgeschichte der Hamburger Kunsthalle: »Seit 2002 befasse ich mich nun mit diesem Werk und seiner Herkunft. Dieser lange Zeitraum lässt sich mit der Komplexität der Ge­schichte, aber auch mit dem sich nur langsam wandelnden Umgang mit dem Thema Provenienz begrün­den. Ich bin froh, dass die Hamburger Kunsthalle dieses Kapitel nun so positiv schließen kann.«
 
Dahls künstlerisches Schaffen hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Landschaftsmalerei der deutschen Romantik. Der in Dresden lebende Dahl und der in Berlin tätige Blechen waren Zeitgenossen und kannten sich persönlich. Beide waren Vertreter einer romantischen Kunst, die sich bereits in Richtung eines frühen Realismus öffnete. Dahl lebte in Dresden in einer Hausgemeinschaft mit Caspar David Friedrich. Das Motiv des nun restituierten Werks Elbe und Neustädter Ufer in Dresden im Abendlicht zeigt den Blick aus Dahls Wohnung auf das gegenüberliegende Elbufer.
 
»Die Erwerbung des Bildes wurde 1988 als programmatische Ergänzung des Bestandes an Ölstudien des norwegischen Künstlers erachtet, den Alfred Lichtwark, der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, an­gekauft hatte. An die Rückkehr der Studie nach Cottbus knüpft sich eine besondere Chance: Als Carl Ble­chen, 1828 nach Italien aufbrach, besuchte er Dahl in Dresden, der ihm die fortschrittliche Technik der Ölstudienmalerei nahebrachte. Nun lässt sich dieser Einfluss in der Cottbuser Sammlung nacherleben«, sagt Dr. Markus Bertsch, Leitung Sammlung 19. Jahrhundert der Hamburger Kunsthalle.
 
Anlässlich der Rückgabe des Werkes von Dahl zeichnet die Ausstellung die Wege der einzelnen Werke wie auch die Entwicklung des Dahl- und Blechen-Bestands der Hamburger Kunsthalle nach. Dabei wird der aus heutiger Sicht fragwürdige Umgang mit dem seinerzeit unrechtmäßig erworbenen Gemäldes von Dahl an­hand von Archivmaterial offengelegt. Auch der Ankauf und Verkauf des Bildes von Blechen, das Lichtwark 1911 erworben und das von seinem Nachfolger Gustav Pauli bereits 1924 wieder verkauft wurde, lässt sich anhand der präsentierten Materialien nachvollziehen.
 
Neben den beiden Hauptwerken der Präsentation werden fünf Bilder Dahls und drei Werke Blechens aus dem Sammlungsbestand der Kunsthalle gezeigt, begleitet von Angaben zur Erwerbungsgeschichte, den Provenienzen sowie Informationen zu den dargestellten Motiven. Führungen und Seminare während der Laufzeit der Ausstellung sind in Planung.
 
Die Ausstellung kann mit einem Ticket für den Sammlungsrundgang in einem Kabinett der ständigen Sammlung des 19. Jahrhundert in der Lichtwark-Galerie (Raum 24) besichtigt werden. Alle Informationen zur Online-Ticketreservierung und den zu beachtenden Hygieneregeln finden sich auf der Website unter www.hamburger-kunsthalle.de/besuch.
 
Kurator*innen: Dr. Markus Bertsch (Leitung Sammlung 19. Jahrhundert) und Dr. Ute Haug (Leitung Provenienzforschung & Sammlungsgeschichte)